Am 10. Oktober stellte der Forstwissenschaftler Martin Bertram vor 61 waldinteressierten Bürgern im Restaurant Chausseehaus in Nieder-Ramstadt Alternativen zur herkömmlichen Forstwirtschaft vor.
Unser Wald ist in den letzten Jahren/Jahrzehnten durch mehrere Dürreperioden im Zuge des Klimawandels stark beansprucht worden. Da der Wald aber durch forstliche Fehler geschwächt ist, trifft ihn diese Beanspruchung so hart, dass er damit nicht alleine zurechtkommt. An vielen Stellen sind der Waldboden und die Bäume durch das Öffnen des Kronendachs der Sonnenstrahlung ausgesetzt. Der Waldboden trocknet stark aus und die Stämme der Bäume bekommen Sonnenbrand. Der alte Forst-Spruch: “ Licht, Gras, Maus, aus“, hat hier seine Berechtigung.
Rűckewege mit zu geringen Abständen zerstören den Waldboden und reduzieren die verfügbaren Waldflächen um bis zu 25%. Baumverletzungen durch den robusten Einsatz von Ernte- und Rückemaschinen führen zu zusätzlichen Verlusten. Kahlschläge und anschließende Neuanpflanzungen mit gezogenen Setzlingen, die keine ausgeprägten Wurzeln bilden konnten, sind wiederum anfällig für Trockenperioden und Windbruch. Dass die Fichte nicht die ideale Baumart in unseren Breiten ist, hat schon ein Forstwissenschaftler Karl Gayer1896 gesagt. Willst du deinen Wald vernichten, pflanze Fichten. Das gilt analog auch für die Kiefer.
Um diese negativen Einflüsse und Praktiken in Zukunft zu vermeiden, wird eine schonendere und naturnahe Waldwirtschaft gefordert. In vielen Fällen kann durch den Einsatz von Seilwinden oder Pferden statt schwerer Forstmaschinen der Waldboden geschont und der Verletzung von Bäumen entgegengewirkt werden. Auch Schutzmaßnahmen für Bäume, die sich selbst ausgesät haben, sind sehr wirkungsvoll. Wenn man solche Bäume durch Einzäunen oder Einzelschutz vor Wildverbiss bewahrt, werden sie widerstandsfähiger; ihre Wurzeln gründen tiefer, sie können Trockenperioden besser überstehen und Stürmen standhalten.
Es wurden auch Baumarten aufgezeigt, die einen moderaten Klimawandel besser überleben könnten. In Deutschland gibt es einige Beispiele, die die Alternative Forstwirtschaft schon seit den 90-er Jahren auf mehreren Tausend ha anwendet und ihre Wälder entsprechend bewirtschaftet, z. B. Lübeck, Göttingen und Uelzen oder die Wälder der Grafen Hatzfeldt. Diese Forste haben die extremen Sommer 2018 und 2019 mit weniger Schäden überstanden als konventionell bewirtschaftete Wälder. Pfungstadt hat einen Forstmeister angestellt, der gemeinsam mit Hessen Forst dafür sorgt, dass die Vorgaben der Gemeinde für die Alternative Forstwirtschaft, befolgt und durchgeführt werden.
Nach ausführlichen Diskussionen der vielen Themen gibt es kein Alles oder Nichts. Es muss in jeder Situation eine angemessene Antwort gefunden werden. Dafür zeigt die vorgestellte Alternative Forstwirtschaft viele interessante Möglichkeiten auf. Unser Wald in Zeiten des Klimawandels darf nicht mehr in erster Linie auf kurzfristig hohe Holzerlöse sondern auf maximale Vitalität für den Erhalt unserer Lebensgrundlage und damit der Natur ausgerichtet werden.
Günter Rexroth